Vom Wesen des Schwaben

Die Natur des Schwaben

Die Bewohner des Schwabenlandes gehören, wenn man der sympathischen Dialektforschung glauben darf, zu den weniger populären deutschen Volksstämmen. Dies mag einerseits an einer fürchterlichen Radiowerbung für Seitenbacher Müsli liegen, und zum anderen an den langjährigen Klischees, dass es sich bei diesem Volksstamm um wegen Geiz rausgeworfene Schotten handelt. Natürlich hat auch dieses Völkchen liebenswerte Marotten wie die Kehrwoche, oder dass Unterwäsche nach der Fähigkeit noch Jahrzehnte später als Putzlumpen zu existieren, bewertet wird.

Der Charakter

spiegelt sich im Grunde genommen (d.h. wir verzichten hier auf eine Beleuchtung des lieblichen Sing-Sangs des Dialekt und der putzigen Angewohnheit alles zu verniedlichen) durch zwei dominierende Ausprägungen wider:

  • Da ist zum Einen eine die gesamte Existenz dieses Menschenschlags überlagernde Ãœbellaunigkeit. Diese führt dazu, dass er anderen Menschen, ja selbst schwäbischen Artgenossen gegenüber mit einer geradezu eiszeitlichen Kälte begegnet. Eine Ausnahme mag hier der Verein sein, denn in Württemberg ist man gerne in einem Verein und übernimmt dort auch gerne ein Amt. Besonders gerne ist man in einem Kleingärtnerverein und waltet dort als stellvertretender Kassenwart, was uns auch schon in Richtung der zweiten Säule der Schwäbigkeit dirigiert, wobei vorher noch, ich verspreche: kurz, ausgeführt sein will, dass der ständig nörgelnde (im Schwäbischen bezeichnet übrigens “brutteln” den üblichen Aggregatszustand des Einheimischen, hierunter ist ein leises und des Dialektes halber für Außenstehende vollkommen unverständliches Jammern und Wehklagen ob der Widrigkeiten der Dinge und im Besonderen der Höhe der Preise zu verstehen)Schwabe nichts schlimmer finden könnte als eine Gaststätte, in der er neben einem Fremden sitzen müsste, weil an jedem Tisch bereits genau ein Gast sitzt. Auch das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Vertreter schwäbischer Tugenden exakt aus diesem Grund ein arger Graus, was vielleicht den überwältigenden Erfolg des schwäbischen “heiligen Bleche” des Typs “Daimler” erklären mag.
  • Nun zur zweiten Säule, die den Protagonisten dieser Untersuchung trägt. Es handelt sich hier schlicht um das Streben nach Grundbesitz. “Schaffe, schaffe, Häusle baue” ist die nicht nur inoffizielle Nationalhymne dieser Region und die pietistische Arbeits- und Lebenseinstellung der dortigen Bevölkerung hat in Union mit einem kaum erklärbaren Drang, Material anzuhäufen, was letzten Endes Grundbesitz bedeutet, zu einem sehr eigenen Verhältnis der Menschen hier zur Welt der Finanzen geführt.

Schwäbische Finanzen

Grob gesagt vertraut der gemeine Schwaben-Württemberger drei Formen der Geldanlage. Eigentlich vertraut er natürlich niemandem und auch nicht einer Geldanlage, aber wer ein Häusle bauen will, muss sparen. Die drei Anlageformen, die Gefallen finden, sind:

  1. Das Sparbuch. Dieses wird mit Kleinstbeträgen bedient und dann dem Enkelkind übereignet, um dieses lange vor Erreichen des Grundschulalters auf das Wichtigste im Leben vorzubereiten und das ist nun einmal das Sparen für das Häusle.
  1. Der Sparstrumpf unter dem Kopfkissen. Die Schotten des Kontinents misstrauen Bankangestellten noch mehr als dem Finanzamt. Die gewählte Ausdrucksform der Finanzwelt ist ihnen ein Greuel und Rätsel zugleich, außerdem werden sie in einer Bank ohnehin nicht verstanden. Darüber hinaus haben Bankangestellte in der Regel saubere Fingernägel, was den Pietisten argwöhnen lässt, dass sein Gegenüber offenbar “nix schafft”. Doch es gibt ja
  1. Den Bausparvertrag. Dieser ist selbstverständlich abzuschließen bei einer Kreissparkasse regionaler Couleur; berühmt ist die Schwäbisch-Hallesche Bausparkasse mit einem Comic-Bausparfuchs mit Brille als Werbeträger, der wie wohl kaum ein anderer Spot im Fernsehen die Natur dieses Volkes auf den Punkt gebracht hat.

Der Bausparvertrag ist in seiner Solidität und seiner rührenden Unkompliziertheit dem Bewohner des mittleren Südens faktisch auf den Leib geschnitten. Zumal überzeugt er durch seine monofinale Destination: Man schafft, um ein Häusle zu bauen und damit dies rasch und günschdig vonstatten gehen kann, nutzt der Schwaben-Württemberger den durch einen Bausparvertrag erzielbaren vierfachen Leverage-Effekt:

  1. Vermögensbildende Leistungen,
  2. Steuervergünstigung,
  3. Zinsen und
  4. günstiges Darlehen

um hurtig zum eigenen Häusle zu schreiten.

Heerscharen beredter und eloquenter Banker haben bereits versucht, Schwaben zu einer etwas offensiveren oder zumindest differenzierteren Form der Geldanlage zu überreden und bevölkern seither in großen Zahlen die Nervenheilanstalten der Republik, wo sie ihren Burnout auskurieren, während der Schwabe zwischen Gebruttel und der Ãœberprüfung des Jahreabschlussberichts des Kleingärtnervereins wacker an seinem Häusle baut, um die Spätzledynastie zu manifestieren, gelben Sprudel zu trinken, dem schwäbischen Leben durch wenig Schwätzen und viel Schaffen einen echten Sinn zu geben und sich pfeifend als Mitglied des Bauspar-Fuchs Rudels zu fühlen, in der sicheren Gewissheit wieder ebbis g’schaft z’han.